Rehwild und Vegetation

 

Die erheblichen Auswirkungen von Rehwildverbiss werden, trotz zahlloser seriöser Studien in den vergangenenen Jahren, immer noch kontrovers diskutiert. Dabei ist die stärkste Wirkung des Verbisses fast überall zu bemerken: die Entmischung der Baumarten! Das Problem bei der Beurteilung von Wäldern ist, dass man die fehlenden Bäume nicht sieht und so auch kein direkter Schaden sichtbar ist.

 

Eine besondere Delikatesse für die Rehe sind junge Eichen! Nach den häufigen und üppigen Eichelmasten der letzten zwei Jahrzehnte müssten die Wälder eigentlich "voll" sein mit jungen Eichen, denn Eichelhäher, Eichhörnchen und Wildschweine haben dafür gesorgt, dass reichlich Eicheln in die Erde kamen. Doch ein Blick in unsere Wälder ist meist ernüchternd: Naturverjüngung aus Eichen fehlt fast überall!

 

Um den Einfluss des Rehwildes sichtbar zu machen, können Weisergatter oder Kontrollzäune nützliche Hinweise geben. Gemeinsame Begehungen von Jagdgenossenschaft, Waldbauern und Jägern sollten selbstverständlich sein, um die Ziele der Jagdgenossen abzustecken und den Status Quo im Revier festzuhalten.

 

Zäune können zeigen, wie hoch der Verbissdruck ist. Wenn vor dem Zaun (fast) so viel grüne Biomasse steht wie hinter dem Zaun, ist der Druck nicht sehr hoch. Ein Blick auf die Arten innerhalb und außerhalb zeigt, ob einzelne Arten von den Rehen heraus selektiert, also "entmischt" werden.



Derselbe Zaunabschnitt von 2011 (links) und aus dem Herbst 2015 (rechts)
Verjüngung vor dem Zaun wie hinter dem Zaun
Nach Mastjahren wie 2011 keimen reichlich Eichen - das Potential für natürliche Verjüngung ist da!

Und ob sich die Eiche verjüngen kann - auf entsprechenden Standorten und bei naturnahen Rehwilddichten, wie hier im Forschungsrevier, kann sie sogar mit den Birken und Douglasien mithalten!

 

 

Neue Ziele - Neue Wälder

 

Als Anfang der 1990-er Jahre der große, benachbarte Forstbetrieb seine Jagd konsequent den waldbaulichen Zielvorgaben anpasste (und bis zu 20 Rehen pro 100ha und Jahr schoss), stellten auch wir in unserem Revier den Jagdbetrieb allmählich um. Ein Weitermachen wie bisher war unmöglich geworden.

 

Über die Umstellung von konventioneller hin zu einer naturnahen Jagd wird demnächst an dieser Stelle berichtet.

 

Nach nunmehr fast 20 Jahren "naturnaher Jagd" ist in unserem Revier nun eine erfreuliche Waldentwicklung sichtbar geworden, wie die folgenden Bilder zeigen.

 

Ein etwa 40-jähriger Fichtenbestand zeigt im Jahr nach einer Durchforstung typische Pioniervegetation in Form von nährstoffliebenden Brombeeren und Holunder. Die künftige waldbauliche Behandlung sowie die Rehdichte entscheiden über die weitere Entwicklung der Kraut- und Strauchschicht. 

In lichten Fichten- Baumhölzern und - Althölzern verjüngen sich nicht nur Fichten und Buchen, sondern auch Begleitbaumarten wie die Eberesche (Sorbus aucuparia), die, ähnlich wie die Eiche, besonders bevorzugt vom Rehwild beäst wird.

 

Abgesehen vom ökologischen Nutzen werden diese Baumarten zum Teil (Birke!) für den Waldbauern als Brennholz immer interessanter!

So können kleine Kyrillflächen nach 5 Jahren aussehen. In der Verjüngung wachsen Fichten, Birken und Buchen, auch einige Eichen und Bergahorn!

 

Bei oberflächlichem Hinsehen scheinen fast alle Kyrillflächen in NRW "grün" zu sein. Und tatsächlich hat natürlicherweise überall die Sukzession in Form einer Kraut- und Strauchschicht eingesetzt. Doch bei genauerer Betrachtung fällt häufig auf: das Grüne besteht fast ausschließlich aus Brom- und Himbeere, aus Holunder, Farn und Fuchsgreiskraut. Die Baumarten der potentiell natürlichen Vegetation sind dagegen rar oder fehlen ganz. Sie sind vom Rehwild "selektiert" worden...

Und so können Kyrillflächen bei einem naturnahen Rehwildbestand im Jahr 2015 aussehen: auf dem Bild sind neben den 2009 gepflanzten Douglasien auch Fichten, Kiefern, Birken, Buchen und Hainbuchen aus Naturverjüngung.

Besonders wichtig ist das "Funktionieren" von Naturverjüngung in Plenterwäldern! Hier setzen die Waldbauern darauf, dass sich die vorkommenden Baumarten ohne Pflanzung und Schutz von selbst verjüngen - wie es natürlich ist (wäre...). Vielen der Waldbauern mit nur kleinen Flächen von 0,5 bis 3 ha Größe ist die ökonomische Auswirkung des Verbisses aber offenbar nicht bewußt. Von den ökologischen Schäden durch die Entmischung der Wälder ganz zu schweigen...

Douglasien- Naturverjüngung

2016: Auf einer Kyrill-Folgefläche haben sich neben Birken, Fichten und Hainbuchen auch Douglasien und Eichen natürlich verjüngt - mit dem Aufwachsen eines breiten Artenspektrums entsteht ein "klimastabiler Wald", wie ihn sich Waldbauern und Gesellschaft wünschen!

Waldbauern freuen sich über naturverjüngte Douglasien. Der Baum wächst schnell, produziert wertvolles Holz und ist (im Gegensatz zur Fichte) unempfindlich gegen Trockenheit im Sommer. Und aufgrund ihrer Herzwurzel ist sie Stürmen gegenüber widerstandsfähiger als die flach wurzelnde Fichte.

 

Doch die Douglasie ist nicht heimisch. Der schottische Botaniker David Douglas hat sie im Jahre 1827 nach Europa eingeführt. Davor gab es sie in Europa im Tertiär ("Erdneuzeit vor 65 Mio bis vor 2,6 Mio Jahren..). Hinweise auf ein Vorkommen im Eiszaltalter (Quartär) gibt es nicht.

 

Das Bundesamt für Naturschutz hat die Douglasie auf die "Schwarze Liste" der invasivien Arten gesetzt. Denn auf fast allen Böden, außer den nassen, ist die Douglasie konkurrenzstärker als die heimischen Baumarten. Aufgrund ihres raschen Jugendwachstums verdrängt sie alle anderen Baumarten.

Vorsicht ist mit der Douglasie also insbesondere in der Nähe gefährdeter Waldgesellschaften geboten!

kleine Kyrillfläche an einem Südhang mit Naturverjüngung aus Buche, Hainbuche und Fichte

sowie Eiche und Lärche

Oktober 2016


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