Der Jagdbetrieb in der Hatzfeldt'schen Forstverwaltung (Beitrag von 2012)

 

In einem privaten Forstbetrieb im Siegerbergland (Kreis Altenkirchen, Rheinland- Pfalz), zwischen Bonn und Siegen an der Grenze zu NRW gelegen, wird nach anderen Maßstäben gejagt als in den meisten privaten Genossenschaftsrevieren. Da der Betrieb seit zwanzig Jahren eine Umstellung des Waldbaus auf naturgemäße Waldwirtschaft betreibt, wird die Jagd in ein ganzheitliches Konzept eingebettet, das die Minimierung von Wildschäden und das Leitbild des „Naturnahen Waldbaues“ berücksichtigt.

 

Betrieb

Der Hatzfeldt-Wildenburg'sche Besitz liegt im nordöstlichsten Teil von Rheinland-Pfalz (Wildenburger Land) und umfasst 7600 ha, wovon 7050 ha auf Wald entfallen. Das Revier wird von Bergischem Land, Sauerland und Westerwald eingerahmt, liegt zwischen 180m und knapp 500m über Meereshöhe und weist jährliche Niederschlagsmengen von 1100 bis 1400mm auf. Die Landschaft ist geprägt durch eine kupierte Mittelgebirgslandschaft mit einem hohen Waldanteil von über 70 %. Charakteristisch sind enge Täler mit natürlichen Bachläufen und steilen Hängen. Die „Verfichtung“ der Landschaft (wie sie auch im Sauerland und Bergischen Land weithin sichtbar ist), die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einsetzte, hat auch im Wildenburg'schen Spuren hinterlassen: Fichten stocken auf 60% der Waldfläche. Die Laubwälder bestehen überwiegend aus Eiche und Buche.

Seit 1990 erfolgt die konsequente Umstellung der bis dahin praktizierten Kahlschlags- und Reinbestandswirtschaft auf naturgemäße Waldwirtschaft. Dem Eigentümer, Hermann Graf von Hatzfeldt, der den Betrieb seit 1969 führt und als Vorreiter der Ökologischen Waldbewirtschaftung gilt, war bereits in den 1980-er Jahren klar, dass ein Umbau der Fichtenforste hin zu gemischten Dauerwäldern nur mit einem angepassten Jagdbetrieb möglich ist.

 

Jagd als Weg zum Betriebsziel

Die Eigenjagdfläche umfasst etwa 10.500 ha, wobei zu den Waldflächen noch etwa 2.500 ha landwirtschaftliche Flächen kommen, deren jagdlichen Interessen von einer Angliederungsgenossenschaft vertreten werden. 4.900 ha der Eigenjagd werden unmittelbar von der Hatzfeldt-Wildenburg’schen Forstverwaltung bejagt, während 5.600 ha auf Pachtreviere aufgeteilt sind.

Wird die Jagd vielerorts als reine „Einnahmequelle“ betrachtet (möglichst hohe Pachtpreise werden angestrebt - wie gejagt wird, ist zweitrangig), so wird der Jagdbetrieb hier ausschließlich nach den Zielen des Forstbetriebes ausgerichtet. Dies bedeutet, dass die hier Jagenden zu relativ günstigen Konditionen jagen dürfen (4 – 10 €/ ha im Pirschbezirk; ca. 13 € im Pachtrevier zuzüglich MwSt.), dafür aber, im „Jagdteam“ mit Förstern und Jagdnachbarn, intensiv jagen (hart arbeiten) müssen, um die Ziele bzw. Vorgaben der Verwaltung zu erreichen.

„Das Erreichen unserer waldbaulichen Betriebsziele ist die Messlatte unseres Jagens“, sagt Dr. Franz Straubinger, seit 1993 Geschäftsführer der Hatzfeldt'schen Verwaltung mit Sitz auf Schloss Schönstein in Wissen an der Sieg. Dabei gibt die Verwaltung vor, welche waldbaulichen Ziele in den einzelnen Revieren angestrebt werden. Der Betrieb ist nach den Nachhaltigkeitskriterien von Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert und wirtschaftet nach den Prinzipien der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW). Beide Systeme fordern waldgerechte Schalenwildbestände, so dass Naturverjüngung stattfinden kann, alle Baumarten ohne Schutzmaßnahmen wachsen können und sich eine standorttypische Bodenvegetation etablieren kann.

 

Jagdpraxis

Der Jagdbetrieb konzentriert sich auf die intensive Bejagung des Rehwilds. Dabei wird in Intervallen gejagt: im Mai/Juni und September wird die Einzeljagd, oft als Sammelansitz, ausgeübt. Im November, Dezember und Januar werden professionell organisierte, revierübergreifende Drückjagden durchgeführt, wobei jeder Waldstandort mindestens einmal bejagt wird! Im vergangenen Jagdjahr wurden fast 40% der gesamten Rehwildstrecke auf den Drückjagden erlegt! Insgesamt kamen z.B. im Jagdjahr 2008/09 759 Stück Rehwild (40% männlich, 60% weiblich) zur Strecke. Es wird nicht selektiert, da Trophäen keine Rolle spielen. Denn grundsätzlich gilt: Wald vor Jägerinteressen!

 

In den Jahren 1993 bis 1995 wurde der Rehwildbestand so weit abgesenkt (jährlich bis zu 20 Rehe pro 100 ha Wald wurden geschossen; s. Grafik), dass seitdem weder Einzel- noch Zaunschutz für die Waldverjüngung notwendig sind. Noch Ende der 1980-er Jahre mussten jährliche Kosten für den Schutz vor Wildverbiss von damals über 1,5 Mio Euro aufgebracht werden! Dem Wert eines erlegten Rehes (ca. 60 – 75 € Wildbret) standen damals 2000 Euro forstbetriebliche Kosten für Schutzmaßnahmen (Zäune) gegenüber! Heute fallen diese Kosten komplett weg, Zäune sucht man in den Hatzfeldt'schen Wäldern vergebens. Das Ergebnis der drastischen Rehwildreduktion sind kleinflächig strukturierte Wälder mit ausgeprägten Naturverjüngungen über Äserhöhe. Da nun fast 5.000 ha ideale Lebensräume für Reh- und Schwarzwild entstanden sind, wird weiterhin intensiv auf Rehe und Schwarzwild gejagt. So ist jeder „Jagdmitarbeiter“ aufgefordert, im eigenen Revier oder Pirschbezirk die maximale Stückzahl zu strecken, wobei Abschussvorgaben als Mindeststrecken zu verstehen sind. Jeder Abschuss muss dem zuständigen Förster umgehend gemeldet werden. „Ein Revier, das keinen Aufwand betreibt und wenig schießt, fällt auf“, weiß Dr. Straubinger aus langjähriger Erfahrung. Nicht zuletzt, weil die getätigten Abschüsse zum 31.12. jeden Jahres von der Verwaltung geprüft werden (Rehabschussmeldungen): zu diesem Zeitpunkt sollen 85% der Abschussvorgabe getätigt sein. „Ist das nicht der Fall, kann die Verwaltung bei den Jagdpächtern noch Drückjagden und/oder Sammelansitze im Januar anordnen, um die vorgegebene Quote noch zu erfüllen“, erläutert Straubinger.

 

Vor zehn Jahren dachte man noch, die Rehwilddichte würde rapide sinken (besonders die angrenzenden Hegeringe, die die drastische Rehwildreduzierung strikt ablehnten),

da auf Wiesen Rehe hier so gut wie nicht mehr zu beobachten waren bzw. sind, so dass für viele Auswärtige der Verdacht bestand, dass es hier kein Rehwild mehr gäbe. Doch heute sieht man, dass bei entsprechendem Aufwand nach wie vor, Jahr für Jahr, hohe Rehwildstrecken erzielt werden können. In den letzten 15 Jahren wurde der Rehwildabschuss von 6 Stück auf 10 Stück Rehwild/ 100 ha Wald in den letzten Jagdjahren erhöht (s. Grafik). Das Rehwild hat sich, durch die stark verbesserten Bedingungen, in den Wäldern verteilt.

 



 

Schwarzwild

Neben dem Rehwild spielt das Schwarzwild eine wichtige Rolle (305 Wildschweine im Jagdjahr 2008/09 markieren die zweithöchste Strecke nach 1993/94) und wird pragmatisch, je nach der Schadenssituation auf den landwirtschaftlichen Flächen, bejagt. Die Abschüsse erfolgen hauptsächlich über Drückjagden und disziplinierte Kirrung. Die in den letzten Jahren ansteigende Schwarzwildstrecke wird zu 65 % auf den Drückjagden erzielt (oder nach gezieltem Kreisen der Sauen nach Neuschnee im Winter). Ein Drittel wird auf der Einzeljagd erlegt, nur die Hälfte davon an Kirrungen (also nur etwa 16 % der Gesamtstrecke).Im Vergleich mit den anderen Hegeringen im Kreis Altenkirchen weisen die Hatzfeldt'schen Reviere die geringste Anzahl an Kirrungen, jedoch die höchsten Schwarzwildstrecken auf! Der Kirrbetrieb wird übrigens strenger reglementiert, als es die geltende Kirr- Verordnung von Rheinland- Pfalz zulässt: Kirrungen müssen mindestens 200m von der nächsten Reviergrenze (es sei denn, die Pächter sprechen sich ab) und mindestens 200m, besser 500m, von landwirtschaftlichen Flächen entfernt sein. Pro 100 ha Revierfläche ist höchstens ein Kirrplatz erlaubt und diese dürfen nicht an aus Naturschutzsicht empfindlichen Standorten, wie Feuchtflächen oder Schluchtwäldern, angelegt werden.

 

Gemeinsame Wildschadensverhütung

Eine außergewöhnliche Praxis wird auch bei der Wildschadensverhütung im Feld, insbesondere bei gefährdeten Maisschlägen, geübt: Zu den Pflichten der Landwirte zählt, dass sie aktiv an der Wildschadensverhütung mitwirken. So sind sie angehalten, an gefährdeten Maisfeldern ein bis zwei Meter am Rand frei zu halten, um Platz für Elektrozäune zu belassen (den Strom hierfür zahlt der Landwirt). Der Bewirtschafter ist außerdem verpflichtet, Saat, Milchreife und Erntezeitpunkt mindestens fünf Tage vorher zu melden, um den Jägern die Gelegenheit zu geben, rasch zu reagieren. Darüber hinaus werden, möglichst schon bei Aussaat der Flächen, notwendige Schussschneisen in der angebauten Kultur freigehalten (z.B. an Waldrändern). Entstehende Nutzungsausfälle werden nicht entschädigt. Bagatellschäden im Grünland bis 50 € pro Jahr und Betrieb werden von den Landwirten übernommen. Dafür bekommt die Angliederungsjagdgenossenschaft einen Bonus – und die Verwaltung zahlt eine Prämie von 4.000 €, sofern der Gesamtschaden der Jagdgenossen 2000€ nicht überschreitet! Auf der anderen Seite sind die Jagdausübenden verpflichtet, die entsprechenden Felder regelmäßig zu kontrollieren, die Elektrozäune zu installieren und zu warten (regelmäßiges freischneiden). Die Regelungen wurden mit der die Landwirte vertretenden Angliederungsgenossenschaft vertraglich fixiert, um den rechtsgrauen Begriff der Schadensminderungspflicht für die Landbewirtschafter zu konkretisieren.

 

 





„Wenn im Revier die waldbaulichen Ziele auf dem richtigen Weg sind und Naturverjüngung ohne Verbiss wächst, hat der Pächter es richtig gemacht“, freut sich Dr. Franz Straubinger über einen naturverjüngten Eichenwald.

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