Schwarzwild und Kirrung

Schwarzwildstrecken NRW seit 1982/83: Verzehnfachung der Strecke!

 

 

Kirrung - ein Beitrag zur Wildschadenproblematik? (Beitrag von Oktober 2012)

 

 

In den Wäldern NRW's lebt soviel Schwarzwild wie nie zuvor. Die Strecken steigen seit 30 Jahren unaufhaltsam an und erreichten im Jagdjahr 2008/09 den vorläufigen Höchstwert von erstmals über 40.000 Stück! Im aktuellen Jagdjahr (2012/13) dürfte es erneut zu einer sehr hohen Strecke kommen, sofern die Witterung im Winterhalbjahr die Schwarzwildbejagung begünstigt.

 

Da die Jägerschaft den Jagddruck auf Wildschweine deutlich erhöht hat und revierübergreifende Drückjagden vielerorts (wenn auch längst noch nicht überall, wo es notwendig wäre!) durchgeführt werden, steigen die Abschusszahlen weiter an. Von einer Reduktion der Bestände kann demnach keine Rede sein. Im Gegenteil, die Sauen erobern immer neue Lebensräume, da sie aus den klassischen Waldregionen heraus drängen. Dabei erreichen die Bestände neuerdings selbst in kleinen Waldgebieten im Flachland Dichten, die vor kurzem noch kaum vorstellbar waren (z.B. Davert und Bröcke im Münsterland, Üfter Mark nordwestlich des Ruhrgebietes, der Grenzwald Schwalm-Nette am Unteren Niederrhein). Die Wildschäden sind in manchen Regionen bereits so groß, dass Reviere mit hohem Feldanteil kaum noch zu verpachten sind!

 

Als Grund für die "explodierenden" Bestände werden immer wieder der expandierende Anbau von Mais, die zunehmenden Vollmasten von Eichen und Buchen, wärmer werdende Winter und ausbleibende Schneelagen (bei Schnee wird das nachtaktiv gewordene Schwarzwild während der Nacht vom Ansitz aus bejagt) genannt. Sicherlich bieten diese geänderten Umweltbedingungen der Reproduktion des Schwarzwilds immer günstigere Bedingungen. Faktoren, auf die Jäger keinen Einfluss nehmen können. Daher rückt die landauf- landab betriebene Kirrungspraxis in den Fokus der Kritik. Bekannt ist, dass in Kerngebieten (oder Revieren) Schwarzwild durch intensives Kirren ans Revier (und vor den Hochsitz) gebunden werden sollen. Auch in Revieren, in denen erstmals Sauen gefährtet werden, wird oftmals rasch ein Kirrplatz eingerichtet, um die Wildschweine zu halten und die Chance auf einen Abschuss zu erhöhen. Doch welche Auswirkung hat die Kirrung auf die Ernährungssituation und damit auf die Reproduktion der Schweine?

 

In zwei Untersuchungen wurden Kirrpraxis und Jagdstrecken unter die Lupe genommen. Mit interessanten Ergebnissen: in einem Baden-Württembergischen Forschungsprojekt wurde von 1995 bis 1997 430 Schwarzwildmägen auf ihre Nahrungszusammensetzung untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass insgesamt mindestens 37 % der gesamten Nahrung aus zugefüttertem/gekirrtem Getreide (Mais) bestanden (Eisfeldt & Hahn 1998). Besonders alarmierend war dabei die Erkenntnis, dass sich die Sauen in den Wintermonaten zu 50 % (Dez/Jan) bis 90 % (März) von Futtermais ernährten! Zu einem Zeitraum als, in dem das eigentliche "Nadelöhr" für eine natürliche Auslese unter schwachen Schweinen sorgen sollte. Mit einer angefressenen Speckschwarte aus der Herbstmast und dem zusätzlichen Futterangebot im Winter können die Bachen im März bei bester Konstitution "frischen". Eine Umfrage unter den Jägern des Untersuchungsgebietes zeigte, dass pro erlegtem Wildschwein 136 kg Mais ausgebracht worden waren. Kein Einzelfall, wie eine empirische Untersuchung aus Rheinland-Pfalz zeigt.

 

Im Landkreis Altenkirchen (im Westerwald zwischen Bonn und Siegen, an der Grenze zu NRW liegend) wurden im Jagdjahr 2006/07 266 kg Mais pro erlegter Sau ausgelegt (unter der Annahme, dass hier ein Liter Mais pro Tag und Kirrung verwendet wurde, wie es nach Landesverordnung auch in Rheinland-Pfalz beschränkt ist). In einem Hegering wurden an 22 Kirrungen gar 780 kg pro geschossener Sau gestreut. Bemerkenswert dabei ist, dass die meisten Wildschweine in dem Hegering erlegt wurden, in dem die wenigsten Kirrungen angelegt waren, aber jährlich professionelle (!) Drückjagden auf der gesamten Fläche (!) durchgeführt werden. Im Gegensatz dazu hat der Hegering mit den meisten Kirrungen die größte Menge Mais pro erlegter Sau und den geringsten Abschuss zu verantworten!

 

Die Ergebnisse der Untersuchungen weisen deutlich darauf hin, dass ein Großteil des Problems hausgemacht ist. Kirrungen dürfen nicht zur Fütterung und zur Bindung der Tiere ans eigene Revier missbraucht werden. Ansonsten darf man sich nicht wundern, wenn Kirrungen demnächst komplett verboten werden. Wie könnte eine sinnvollere, zielführende Kirrpraxis also aussehen?

 

  • weniger Kirrungen pro Revier (in einer 520 ha- Jagd bedarf es keiner sechs Kirrungen!)

  • 1 kg Kirrmaterial auf der Kirrung genügt!

  • Futterautomaten und mit Mais gefüllte Tonnen sind Fehl am Platze - ein Liter Mais lässt sich unauffällig unter ein paar Natursteinen verstecken und Rehwild kommt hier nicht heran. Die Kirrung sollte nicht wie ein Futterplatz aussehen!

  • selber im Revier Eicheln sammeln, um mit diesem natürlichen Futtermittel zu kirren (anstatt mit Mais weitere Nährstoffe von außen einzubringen!)

  • Verzicht der Kirrung von Januar (Februar) bis August!

 

 

Die Ansitzjagd an der Kirrung kann (höchstens) als Ergänzung zu professionell organisierten, revierübergreifenden Drückjagden im Herbst dienen - und ist kein Allheilmittel zur zwingend notwendigen Reduktion des Schwarzwildbestands!





Futterautomaten, Kirrtrommeln und Tonnen haben auf der Kirrung nichts verloren und sind (in NRW und RP) verboten! Der Imageschaden ist höher als die Effektivität!



Kirrung in NRW – was ist erlaubt?

 

Unter Kirrung versteht man das Anlocken des Wildes mit kleinen Mengen Futter an eine bestimmte Stelle, um es dann dort zu erlegen.

Das Land NRW hat die Kirrung 1998 per (Fütterungs-) Verordnung als erstes Bundesland  reglementiert. Die Durchführungs- VO vom 31.3.2010 und der „Erlass“ des Ministeriums vom 19.1.2012 waren Grundlage für die im neuen Landesjagdgesetz weiter gehenden Verschärfungen:

 

§ 28  Kirrung und Fütterung von Schwarzwild

 

Die Kirrung von Schwarzwild ist nur zulässig, wenn

  • im Jagdbezirk oder -revier nicht mehr als eine Kirrstelle je angefangene 100 Hektar bejagbarer Fläche angelegt wird,
  • keine Fütterungs- oder Kirreinrichtungen verwendet werden,
  • als Kirrmittel ausschließlich Getreide einschließlich Mais ausgebracht wird,
  • die Menge des Kirrmittels zu jedem Zeitpunkt nicht mehr als einen halben Liter je Kirrstelle beträgt,
  • das Ausbringen des Kirrmittels von Hand erfolgt,
  • das Kirrmittel in den Boden eingebracht oder mit bodenständigem Material so abgedeckt wird, dass die Aufnahme durch anderes Schalenwild ausgeschlossen ist, und
  • die Kirrstellen der unteren Jagdbehörde unter Beifügung eines Lageplanes im Maßstab von 1:5 000 oder 1:10 000 und im WGS 84 Koordinatensystem nach Längen- und Breitengrad jeweils in Grad und Bogenminuten mit drei Dezimalstellen vorher angezeigt worden sind.

 

Wer gegen die Kirrvorschriften verstößt, handelt nach §36 ordnungswidrig im Sinne des §55 Absatz 2 Nummer 9 des Landesjagdgesetzes NRW.

 

Schwarzwildbejagung muss ohne Futterbehälter auskommen!

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