Schadensminderungspflicht und Mitverschulden des Landwirtes

 

Grundsätzlich müssen die Jagdgenossenschaften den geschädigten Landwirten die Wildschäden, die durch Schalenwild, Kaninchen oder Fasanen entstanden sind, ersetzen (§29 Abs.1 BJG). In der Regel übertragen die Jagdgenossenschaften jedoch die Wildschadensersatzpflicht in ihren Jagdpachtverträgen auf die Jagdpächter, die nun für den Wildschadensersatz verantwortlich sind.

 

Der Jagdpächter ist verpflichtet, "Wildschäden möglichst zu vermeiden" (§ 1 Abs. 2 BJG). Für die Praxis bedeutet dies, das die Jäger versuchen müssen, die Wildschaden verursachenden Wildarten (z.B. Wildschweine) so zu bejagen, dass Wildschäden eben "möglichst vermieden" werden. Der Jagdpächter ist allerdings nicht verpflichtet, präventive Schutzmaßnahmenren durchzuführen, um den zu erwartenden Schäden vorzubeugen (z.B. keine Pflicht, Elektrozäune um Maisfelder zu ziehen).

 

In den meisten Regionen und Revieren herrschen landschaftliche und landwirtschaftliche Bedingungen, bei denen die Jäger vor Ort effektiv als Wildschadenverhüter wirken können. Als Beispiel: drei oder vier Felder mit Mais oder Raps von insgesamt 12 ha Größe können von einer engagierten "Jagdmannschaft" kontrolliert werden (ständige Ansitze, Verstänkern, Drückjagd, ggf. zäunen). Dies muss von den Jägern vor Ort verlangt werden können.

Es gibt aber auch Regionen (z.B. Mecklenburg, Emsland) bzw. Reviere, in denen die Grenze der Zumutbarkeit für die Jagdpächter bereits weit überschritten ist. Keine Jagdgenossenschaft bzw. Landwirt kann von einem Jagdpächter erwarten, dass er z.B. 8.000 Meter Elektrozaun um Maisfelder zieht (z.B. in unserem Forschungsrevier: Schwarzwild und Mais). An dieser Stelle wird der Ruf nach gemeinsamen Lösungen einerseits und der Entlastung der Jagdpächter andererseits lauter. Immer wieder werden z.B. Bejagungsschneisen gefordert. Aber selbst solche Schneisen sind nicht mehr als dürftige Hilfsmittel bei der Wildschadenminimierung. In diesen Revieren sind Schäden nicht zu vermeiden - und trotzdem muss der Jagdpächter den Ersatz zahlen? Nicht immer, wie ein Aufsatz des Richters Dr. Henning Wetzel aus dem Jahr 2010 verdeutlicht. Wetzel geht hier auf den § 254 BGB "Mitverschulden" ein und erläutert, in welchen Fällen Landwirte ein Mitverschulden tragen, die den Anspruch auf Wildschadenersatz aufheben: 

 

"Der § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seiner Schadensansprüche hinnehmen muss. (...)

 

Ein anspruchsausschließendes Mitverschulden soll (...) den Landwirt treffen, der bestimmte Ansaaten vornimmt, bei denen nach Lage des gewählten Grundstücks ("Situationsgebundenheit") und nach Wahl der zu bestellenden Kultur mit Sicherheit ein übermäßiger Wildschaden zu erwarten ist. Es verbietet sich, ohne Rücksicht auf die Situationsgebundenheit eines Grundstücks, den höchstmöglich erscheinenden Ertrag anzustreben. (...)"

 

Dem Landwirt kann selbstverständlich nicht vorgeschrieben werden, was er auf seinen Flächen anbaut (Anmerkung des Verfassers). "Diese Freiheit der Anbaumethoden kann im Fall eines (überwiegenden) Mitverschuldens aber dazu führen, dass ihm kein Anspruch auf Wildschadenersatz zusteht. (...)

 

Auch der Bundsgerichtshof ist der Ansicht, dass als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) Wildschaden durch den Eigentümer in gewissem Umfang ohnehin entschädigungslos hinzunehmen ist. Das Maß dieser Pflichtigkeit bestimme sich nach Lage und Beschaffenheit des Grundstücks, sowie seiner Einbettung in die Landschaft und Natur, mithin seiner "Situation".

Eine Hinnahme gewisser Wildschäden stelle sich daher grundsätzlich als Ausdruck der Sozialbindung dar. (...)

 

Es trifft auch den Landwirt ein Mitverschulden, der ohne Rücksicht auf die Situation und in Kenntnis der Unbejagbarkeit einer Fläche (Mais bis zum Waldrand) auf die Schaffung von wirksamen Bejagungsmöglichkeiten, etwa durch Anlegung von Bejagungsschneisen in der Hauptfrucht und Sichtstreifen zwischen Hauptfrucht und Waldrand (...) verzichtet. (...)

 

 

Beispiele für ein Mitverschulden des Landwirtes aus der deutschen Rechtsprechung:

  • nicht ordnungsgemäße Landbewirtschaftung, etwa durch Einpflügen von Bodenfrüchten oder Unterpflügen von abgehäckseltem, nicht abgeerntetem Mais mit nachfolgender Getreideaussaat (Landgericht Schwerin; Urteil vom 8.11.2002, 6S 269/01
  • Fehlende Anlegung von Bejagungsschneisen in der Hauptfrucht und Sichtstreifen zwischen Hauptfrucht und Waldrand (Belling in Staudinger: Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2008, § 835 BGB, Rn. 3)
  • ersichtlich wildschadensgefährdeter Anbau (Amtsgericht Garmisch- Partenkirchen in Rdl 1968, 243; Amtsgericht Bad Segeberg in MDR 1952, 167); z.B. besonders wildschadensgefährdete Kultur an bekannt wildschadensgefährdetem Waldrand (Englaender in AgrarR 1976 S. 40)"

 

aus:

Dr. Henning Wetzel: Die Obliegenheit des Landwirtes zur Schaffung von Bejagungsmöglichkeiten im Rahmen der Ersatzpflicht für Feldwildschäden.

In: Agrar- und Umweltrecht 3/ 2010. S. 70 - 74

 

Den vollständigen Aufsatz finden Sie hier:

 

 

Anmerkung Frank C. Heute

 

Unterstützung im "Kampf" gegen Wildschäden durch Schwarzwild von Landwirten und Jagdgenossenschaft darf nur derjenige Jagdpächter erwarten, der

 

- in besonderer Weise von Wildschadensgefahr betroffen ist

  • z.B. durch riesige Maisschläge in "Schilfrevieren"
  • zahlreiche große Maisschläge an der Reviergrenze zur Nachbar- Waldjagd

 

- sich in der Wildschadenverhütung vor Ort sehr engagiert zeigt. Das heißt:

  • ständige Kontrolle der gefährdeten Felder (mindestens Jagdaufseher vor Ort!)
  • andauernde Ansitze im Feld, auch Gruppenansitze mit Gästen (Jungjäger!)
  • ggf. "Verstänkern" und/oder zäunen
  • andauernder Dialog mit den betroffenen Landwirten!

 

- bereit ist, die Schwarzwildbestände zu reduzieren, z.B. durch

  • konsequente Durchführung von Drückjagden auf Schwarzwild (an revierübergreifenden Drückjagden teilnehmen)
  • Beachtung der Kirrungsbestimmungen
  • gezielte Jagden nach Neuschnee (kreisen)

Jagdpächter, die nicht in diesem Sinne engagiert sind, sollten sich fragen, ob es nicht eher ihr eigenes Mitverschulden ist, das zu den Schäden führt, anstatt sich mit einem Hinweis auf diese Webseite und den Beitrag von Wetzel aus der Ersatzpflicht zu stehlen! Hiermit soll ausdrücklich nicht dazu aufgerufen werden, bei jedem Wildschaden ein Mitverschulden des Landwirtes zu suchen!


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