BÖLW Pressemitteilung
Umsetzung der EU-Agrarreform: Greenwashing statt Greening
Berlin, 15.05.2014.
Den vorläufigen Kompromiss der Agrar-Berichterstatter der Regierungsfraktionen zu den Greening-Regelungen im Direktzahlungen-Durchführungs-Gesetz kommentiert der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein:
„Die nationale Umsetzung der Europäischen Agrarreform ist vom Scheitern bedroht. Die Einigung der Agrar-Fachleute von CDU/CSU und SPD torpediert die nationale Eiweißstrategie der Bundesregierung und die Ökologisierung der Landwirtschaft. Auf sogenannten „ökologischen Vorrangflächen“ sollen beim Eiweißpflanzenanbau Pestizide und Mineraldünger zugelassen werden. Ökologische Vorrangflächen haben die Aufgabe, der Natur Vorrang zu gewähren. Pestizide sind dafür gemacht, genau das zu verhindern.
Zudem ist inakzeptabel, dass Zwischenfruchtanbau als Greening gelten soll. Diese Maßnahme entwertet das Greening zusätzlich: es setzt auf bloße Mitnahmeeffekte für Kulturen, die bei guter fachlicher Praxis bereits jetzt angebaut werden – der geplante Öko-Effekt der Vorrangflächen verpufft vollends. Mit ihren Vorschlägen verstärken die Regierungsfraktionen Maßnahmen des Bundeslandwirtschaftsministeriums, welche die europäische Landwirtschaft in die Industrialisierung treiben. Wenn das Gesetz so umgesetzt würde, hätte Deutschland eine große Chance in Richtung zukunftsfähige Landwirtschaft vertan.
Die Umweltverantwortlichen der Fraktionen, welche noch konsultiert werden, müssen jetzt Alarm schlagen und die Anerkennung von Zwischenfrüchten und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Vorrangflächen verhindern. Bundestag und Bundesrat müssen den Gesetzesvorschlag abweisen: Pestizide und Mineraldünger haben auf ökologischen Vorrangflächen nichts zu suchen. Die Eiweißstrategie kann nur umgesetzt werden, wenn Leguminosen auch tatsächlich angebaut und massiv in die Eiweißpflanzen-Forschung investiert wird.“
Hintergrund
Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich EU-Kommission, -Rat und -Parlament im vergangen Jahr auf eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU geeinigt. Dabei haben die europäischen
Entscheidungsträger den Mitgliedsstaaten große Spielräume zur nationalen Ausgestaltung gelassen. Nur teilweise haben Bund und Länder diese Spielräume genutzt.
Im November 2013 entschieden sie auf einer Agrarministerkonferenz, dass zukünftig 4,5 Prozent aller Direktzahlungen der deutschen Landwirte in das Programm zur Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) fließen. Landwirte müssen zukünftig auch 5 Prozent „ökologischen Vorrangflächen“ ausweisen. Nur dann erhalten sie ihre Direktzahlungen in voller Höhe. Auf diesen Flächen dürften nach dem Gesetzesvorschlag des BMEL künftig Pestizide und Mineraldünger ausgebracht werden. Dieses Schlupfloch unterstützt weder die Artenvielfalt, noch den Gewässer- und Bodenschutz. Zudem wird der Anbau von Zwischenfrüchten auf ökologische Vorrangfläche als Greening anerkannt. Da Zwischenfrüchte wie Lupinen, Senf oder Rübsen bereits jetzt auf die Äcker kommen, würde ein Mitnahmeeffekt anerkannt und keine zusätzliche Greening-Leistung eingefordert.
Links mit weiteren Informationen:
- Gesetz zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz - DirektZahlDurchfG)
- Top-Agrar ("Das sind die Greening-Beschlüsse")
Niederwild im Sinkflug oder: Greening? Welches Greening? (25.2.14)
In der Dezemberausgabe (12/2013) des "Rheinisch- Westfälischen Jägers" schilderten Kreisjägerschaften und Hegeringleiter den andauernden, "dramatischen" Rückgang der Fasanen, teils auch der Hasen. Mittlerweile geht unter den Niederwildjägern die berechtigte Befürchtung um, den Fasanen ereile bald das gleiche Schicksal wie dem Rebhuhn. Die Wildforschungsstelle Bonn und das Institut für Wildtierforschung in Hannover haben ein breit angelegtes Forschungsprojekt aufgestellt, um den Ursachen des Fasanenrückganges auf den Grund zu gehen. Erlegte Fasanen und Fallwild- Vögel werden veterinärmedizinisch untersucht, um festzustellen, ob Infektionskrankheiten hinter dem Rückgang stecken.
Dass es nach wie vor Reviere mit hervorragenden Niederwildbesätzen gibt, mögen manche Jäger kaum noch glauben. Doch unser Forschungsrevier "Ramsdorf- Krückling" im Kreis Borken, über das wir in den vergangenen Jahren schon mehrfach berichteten ("Wildtierfreundlichster Landwirt Deutschlands 2012"), zeigte auch im vergangenen Herbst wieder, dass der Lebensraum ausschlaggebend für das Niederwildniveau ist. Auf einer der hier durchgeführten Treibjagden Ende November wurden in einem Revierteil von 90 Hektar insgesamt 192 Stück Niederwild erlegt, darunter 90 Kaninchen, 40 Hasen und 40 Fasanenhähne. Die Treiben, ausgestattet mit zahlreichen Stilllegungen, Feld- und Uferrandstreifen sowie extensiven Ackerrainen, fanden auf einer Fläche von lediglich 20 ha statt!
Der Artenrückgang in der Feldflur ist seit vielen Jahren bekannt und dokumentiert. Und die Gefährdung der Ackerbiozönosen hat sich in den letzten fünf Jahren, mit der weiteren Intensivierung der Landwirtschaft und der Ausweitung des Energiepflanzenanbaus, noch einmal deutlich verschärft. Fachleute benennen seit etlichen Jahren Lösungsansätze, die vor allem in der Extensivierung der Landnutzung liegen. Auch wir haben intensive Forschung in der Feldflur an Niederrhein und Münsterland betrieben und schon vor Jahren auch auf den Rückgang der Insekten, wie Tagfalter und Laufkäfer, aufmerksam gemacht. Ungezählte Publikationen weisen seit drei Jahrzehnten auf die Problematik hin! Eine aktuelle Studie unterstreicht z.B. die indirekten, negativen Auswirkungen (Nahrungsnetz- Effekte) von Pflanzneschutzmitteln auf die Feldfauna.
Eine große Chance, vielleicht die letzte (?), liegt derzeit im sogenannten "Greening", den Auflagen zur Bereitstellung von 5% "ökologischen Vorrangflächen" durch die Landwirte gemäß der EU- Agrarreform. Will man dem seit Jahren anhaltenden Rückgang der Feldarten effektiv entgegen wirken, müssen solche Flächen dringend in einen ökologisch optimalen Zustand überführt und gesichert werden.
Und was passiert derzeit?
Im Moment sieht es danach aus, dass das Greening stark verwässert wird. Sowohl der Energiepflanzenanbau als auch Düngung und Pestizideinsatz werden wohl auf den Flächen möglich sein!
Doch während Naturschutzverbände immer wieder auf die Problematik verweisen und von den politisch Verantwortlichen ein effektives Greening einfordern, schweigt die Jägerschaft zu diesem Thema weitgehend. Warum eigentlich? Um den traditionellen Schulterschluß mit der Landwirtschaft nicht zu gefährden? Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert, dass eine "aktive Bewirtschaftung aller Flächen möglich bleiben" müsse. Unter dem Druck der Landwirtschaftsinteressen scheint EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos nun eingeknickt zu sein: in einem Interview mit Bauernpräsident Joachim Ruckwied habe Ciolos zugesagt, den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln bei den ökologischen Vorrangflächen im Grundsatz zu ermöglichen (Presseerklärung des DBV vom 25.2.2014).
Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat sich in einer Stellungnahme zum Koalitionsvertrag über die Pläne zur Energiewende und Gemeinsamen Agrarpolitik erfreut gezeigt. Der DJV unterstützt den Energiepflanzenanbau auf Greeningflächen und setzt sich dafür ein, dass bereits bestehende Agrarumweltmaßnahmen der Landwirte auf die 5% angerechnet werden. So setzt man sich dafür ein, dass möglichst wenig neue Fläche für den Natur- und Artenschutz bereit gestellt werden muss! Besonders geeignet findet der DJV die "ökologischen Vorrangflächen" übrigens innerhalb riesiger Maisfelder, um "die Stoppelflächen ab August als Jagdschneisen für Wildschweine zu nutzen"! Der DJV stellt sich unter "ökologisch hochwertigen" Greeningflächen also folgendes vor: suboptimale Flächen für den Naturschutz (inmitten gigantischer Maisschläge!), die mit Gärresten (!) gedüngt werden und pünktlich zur Wildschadenzeit im August geerntet werden, damit man hier auf Stoppeln Schwarzwild bejagen kann! Aus jagdlicher Sicht verständlich. Aus Sicht der Feldarten: ein fauler Kompromiss ohne große Wirkung!
"Es ist fünf vor Zwölf in der Feldflur", sagt der Landesjagdverband NRW. Das stimmt, mindestens! Also sollten wir Jäger auf die größtmögliche Chance drängen, die auf dem Tisch liegt und ein naturschutz- und niederwildgerechtes Greening einfordern! Fünf Prozent der aktuell konventionell genutzten Ackerfläche müssen aus der Nutzung genommen und dauerhaft für den Natur- und Artenschutz bereit gestellt werden!
Ansonsten ist 12 Uhr für Rebhuhn, Bluthänfling und Fasan bald durch!
P.S.:
Auch die Forderungen des Bundesamtes für Naturschutz, des
Umweltbundesamtes und der
Kommission Landwirtschaft am Umweltbundesamt zur nationalen Umsetzung von Ökologischen Vorrangflächen (Januar 2014) sind eindeutig. "Vor dem Hintergrund, dass die EU mit zunächst 5 % ÖVF deutlich
unter den aus ökologischer Sicht zu stellenden Forderungen geblieben ist, ist unbedingt sicherzustellen, dass diese 5 % ÖVF bestimmte ökologische Mindestkriterien erfüllen:
- Prinzipieller Ausschluss von Dünger und Pestiziden (für das gesamte Jahr).
• Festlegung und/oder Begrenzung von Zeiten und Umfang für die Bewirtschaftung und Ernte bzw. die
Nutzung der Flächen.
• Die Anrechnung von seit 2012 umgebrochenem Dauergrünland für die Bereitstellung von ÖVF ist auszuschließen.
• ÖVF müssen auf der Ackerfläche des jeweiligen Betriebs erbracht werden bzw. in der Verfügungsgewalt
des beantragenden Landwirts liegen."
Mit Förderungssummen von 1.800 €pro Hektar (Anteil der Ökologisierungskomponente an den Direktzahlungen) seien die ÖVF ein "gut bezahlter Mehrwert für die Gesellschaft!"
Auswirkungen intensiver Landwirtschaft sowie extensiver Feldstreifen und dauerhafter Brachen auf die Lebensgemeinschaften der Feldflur.
A6_Diskussionen Landwirtschaft und Niede[...]
PDF-Dokument [414.8 KB]
Die Deutsche Ornithologen Gesellschaft DO-G fordert fordert "einen Anteil von mehr als 10 % Ackerbrachen und sehr extensiv genutzte Agrarflächen je gefördertem Landwirtschaftsbetrieb. Als Ökologische Vorrangflächen sollten nur Flächen- und Nutzungstypen mit ausreichenden ökologischen Wirkungen hinsichtlich der Biodiversitätsziele angerechnet werden, Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz sollte auf diesen Flächen nicht erlaubt sein."
PDF-Dokument [62.2 KB]
P.P.S.:
Unser Kollege und Feldvogelexperte Kristian Mantel von der NABU- Naturschutzstation Münsterland hat uns auf den jüngst nachgewiesenen, drastischen Rückgang der Kiebitze hingewiesen. Der Kiebitz- Brutbestand hat in den letzten drei Jahren drastisch abgenommen, wie die Wiesenvogelkartierung der Biologische Station Gütersloh/ Bielefeld für den Kreis Gütersloh und die Stadt Bielefeld zeigt. Kartierungen aus Soest, Warendorf, Münster und Unna bestätigen den alarmierenden Trend.
Es wird ein Zusammenbruch des Kiebitzbestandes erwartet. Schon in diesem Jahr werden laut Kristian schon keine 10.000 Paare Kiebitze mehr in NRW brüten. Das Aussterben der Art werde zu Mitte bis Ende des nächsten Jahrzehntes erwartet. Zu diesem Zeitpunkt wird es wohl schon keine Rebhühner mehr im Land geben...
Der Wiesenvogelbericht der BioStation Gütersloh belegt den drastsichen Rückgang der Kiebitze innerhalb der letzten Jahre.
WiVo2013_Bericht_Guetersloh_Bielefeld.pd[...]
PDF-Dokument [4.2 MB]